Vienna MMIX Plan B – Blancpain Art Contemporain, 2011

PLAN B – Surveillance Panorama No.4
Vienna MMIX – 17352/7000/234

The exhibition at Blancpain Art Contemporain presents a new, analytical treatment of the latest Surveillance Panorama work « VIENNA MMIX-17352/7000, portrait of a society » that has been shown originally on the public space at Karlsplatz, Vienna, as a 360° circular panorama.
From the total of 17532 single images recorded, the artist selected 234 images, then re-arranged them to four thematic blocks with 24, 42, 48 and 120 images, and finally presented them in a grid. Each block was composed to fit an entire wall of the gallery.

Traduction français
En automne 2010, Jules Spinatsch, artiste suisse en nouveaux médias, présente sur la Karlsplatz de Vienne un panorama photographique du Bal de l’Opéra de Vienne de 35 mètres de long et de 3 mètres de haut. L’installation temporaire, une rotonde de 360°, semble restituer la manifestation dans ses moindres détails: des gens en tenue de fête, des balcons bondés, une salle décorée avec faste et des couples de danseurs qui virevoltent. L’image, qui donne à première vue l’impression d’être continue, se révèle être après examen une illusion. Stricto sensu, elle est constituée de 17’352 images individuelles que deux caméras de surveillance télécommandées ont enregistrées pendant toute la durée de l’événement (soit de 20h32 à 5h10 du matin) à intervalles réguliers de trois secondes, suivant une trame spatio-temporelle programmée à l’avance. Ce n’est qu’ultérieurement que les fragments ont été assemblés par ordre chronologique pour former une vue d’ensemble complète. more >>

Jules Spinatsch s’est déjà penché sur des événements médiatiques dans des travaux précédents. Ainsi entre 2001 et 2003, un vaste cycle de photographies a vu le jour avec «Temporary Discomfort» qui reflète les mesures de protection et de surveillance que supposent des manifestations globales au sommet comme le Forum économique mondial ou la réunion du G8. Ce faisant, Spinatsch observe volontairement la situation en dehors du périmètre de sécurité et photographie les barrages et les clôtures, les postes de surveillance et les gardes du corps, les véhicules de police et de transmission. Là où les médias se concentrent sur les acteurs, Spinatsch analyse plutôt les conditions générales. Il produit des images qui reflètent autant les répercutions concrètes que l’ambiance de ce genre de grands événements – images qui font soudain ressentir le paysage de façon «politique».Sur cette toile de fond, Jules Spinatsch développe et approfondit l’idée d’exploiter des images de caméras de surveillance. En 2003, il installe à Davos, sa ville d’origine, trois webcams durant le Forum économique mondial et met en scène la surveillance de la surveillance. Il génère son premier panorama à partir des images transmises par les caméras. Depuis lors, au total quatre de ces travaux, nommés «Surveillance Panorama», ont vu le jour, et parmi eux en 2005, un panorama du match de football France – Suisse à Berne, «Heisenbergs Abseits».

Original Text – Claudia Stein, Berlin
Der schweizer Medienkünstler Jules Spinatsch präsentierte im Herbst 2010 auf dem Karlsplatz in Wien ein 35 Meter langes und 3 Meter hohes Panoramabild vom Wiener Opernball. Die temporäre, als 360° Rondell realisierte Fotoinstallation schien die Veranstaltung in sämtlichen Details wiederzugeben: festlich gekleidete Menschen, gefüllte Ränge, ein prunkvoll geschmückter Saal mit sich drehenden Tanzpaaren… Das auf den ersten Blick kontinuierlich wirkende Bild entpuppte sich bei genauerer Betrachtung jedoch als Illusion. Genau genommen beruhte es auf 17.352 Einzelbildern, die zwei ferngesteuerte Überwachungskameras während der gesamten Dauer des Ereignisses (von 20:32 Uhr abends bis 5:10 Uhr morgens) im Abstand von je drei Sekunden nach einem zeitlich und räumlich vorprogrammierten Raster aufgezeichnet hatten. Erst nachträglich wurden die Bildfragmente in chronolgischer Reihenfolge zu einer lückenlosen Gesamtansicht montiert. more >>

In seiner aktuellen Einzelausstellung Plan B bei Blancpain Art Contemporain zeigt Jules Spinatsch nun eine Variation der Außeninstallation « Vienna MMIX-17352/7000 ». Für die Galeriepräsentation konzipierte er mit 234 ausgesuchten und thematisch sortierten Einzelbildern fünf in sich geschlossene Werkblöcke, die das Ereignis in weiterführender Weise spiegeln. Bei der Auswertung der abendfüllenden Aufzeichnungen gerieten nämlich neben den Teilnehmern unweigerlich noch andere interessante Sujets in den Fokus: Elemente wie Dekoration, Beleuchtung, Blumenschmuck oder die technische Ausstattung nehmen in Bezug auf das Ganze einen nicht unerheblichen Raum ein und sind daher in der Ausstellung entsprechend mit eigenen Werkgruppen vertreten.Die herausgelösten und auf das Format 31 x 40 cm vergrößerten Bildfragmente sind hier von ihrer Funktion für den Aufbau der Gesamtarchitektur befreit und ermöglichen dadurch einen – wie durch ein Opernglas geworfenen – ungenierten Blick auf die unbemerkt und zufällig in den Fokus geratenen Details. Der Betrachter wird praktisch zum Voyeur gemacht, wenn einzelne Szenen wie unter detektivischer Beobachtung Körperfragmente von Gästen oder den Blick in die Kulissen freigeben. Diese zweite Präsentationsform von « Vienna MMIX-17352/7000 » verströmt deutlicher die Aura der Observierung und bildet als Extrakt des riesigen Gesamtvolumens einen wesentlich analytischeren Kommentar.

Der Wiener Opernball gilt bis heute als wichtigstes Ereignis der österreichischen Elite und zieht neben Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur auch zahlreiche, prominente internationale Gäste sowie das Interesse der Medien an. Die künstlerische Annäherung von Jules Spinatsch steht dem Bedürfnis der gesellschaftlichen Repräsentation jedoch entgegen, da sie auf spekulativer Willkür beruht und daher der Selbstdarstellung einzelner Akteure keinen Platz einräumt. Das nach rein pragmatischen Kriterien erzeugte Dokument stellt vielmehr ein unkommentiertes und ungeschöntes Suchbild voller Zeichen und Hinweise dar, die unabhängig von medialer Berichterstattung interpretiert werden dürfen.

Jules Spinatsch setzte sich schon in früheren Arbeiten mit Medienereignissen auseinander. So entstand zwischen 2001 und 2003 mit « Temporary Discomfort » ein umfangreicher fotografischer Zyklus, der die Schutz — und Überwachungsmaßnahmen reflektiert, die globale Spitzen-Veranstaltungen wie das Weltwirtschafts-Forum oder das G8-Treffen mit sich bringen. Bewusst hielt Spinatsch dabei die Situation außerhalb der Sicherheitszone im Fokus und fotografierte Absperrungen und Zäune, Wachposten und Bodyguards, Polizei- und Übertragungsfahrzeuge. Wo sich die Medien auf die Akteure stürzten, untersuchte er die Rahmenbedingungen und schuf Bilder, die sowohl die konkreten als auch die atmosphärischen Auswirkungen derartiger Großereignisse spiegeln und Landschaft plötzlich ›politisch‹ erfahrbar machen.

Vor diesem Hintergrund entwickelte Jules Spinatsch die weiterführende Idee, Bilder aus Überwachungskameras zu nutzen. In seinem Heimatort Davos stellte er 2003 während des Weltwirtschafts-Forums drei Netzwerkkameras auf und inszenierte damit seinerseits die Überwachung der Überwachung. Aus den Bildern, die die Kameras übermittelten, generierte er seine ersten Panoramen. Insgesamt entstanden seitdem vier dieser « Surveillance Panorama » genannten Arbeiten, darunter 2005 auch ein Bild des Fußball-Länderspiels Frankreich: Schweiz in Bern. (Titel: « Heisenbergs Abseits »)